Die Nachricht hat viele Musikerinnen und Musiker positiv überrascht: Auch in Zukunft dürfen Streicherbögen aus Fernambuk mit über die Grenze genommen werden – ohne spezielle Genehmigung. Die befürchteten Einschränkungen für ausübende Musikerinnen und Musiker bleiben aus, nachdem der Artenschutz für das brasilianische Holz bei der CITES-Versammlung nur geringfügig verschärft wurde.
Bildquelle: picture alliance / ZB | Jens Kalaene
Die Nachricht kam überraschend: Fernambuk bleibt auf dem Anhang II des Artenschutzabkommens. Das löst mit einem Schlag viele Sorgen, die sich Bogenbauer und Musiker in aller Welt in den letzten Monaten gemacht haben. Für die meisten Musikerinnen und Musiker von Streichinstrumenten hätten sich die Arbeitsbedingungen erschwert, zumindest bei Tourneen ins Ausland. Aufwändige Kontrollen und spezielle Musikinstrumentenzertifikate wären bei Grenzübertritten nötig geworden.
"Ich bin jetzt erstmal erleichtert", sagt Kontrabassist Frank Reinecke, der gerade mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf Tournee in Spanien ist. Er bezeichnet die ganze Geschichte als "ziemlich absurd". Es gebe bislang keine für ihn zufriedenstellende Alternative zu Fernambukbögen. Eine Verschärfung des Artenschutzes auf Anhang I hätte ihm wie vielen anderen Musikern auch das Reisen mit einem solchen Bogen beim Zoll erschwert: "Wenn ich ohne einen vernünftigen Bogen auf eine Reise gehen soll, dann kann ich eigentlich im Grund gleich zuhause bleiben."
Der Fernambukbaum, aus dessen Holz die meisten hochwertigen Streicherbögen gefertigt werden, gilt als gefährdet. Wie viele Bäume es noch gibt, ist unklar. Jedenfalls wächst Fernambuk nur in Brasilien, ist also eine endemische Art. Die CITES, die Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens, hat jetzt vom 14. bis 25. November 2022 in Panama unter anderem über den Schutz des Fernambukbaumes diskutiert. Es wurde beschlossen, den Artenschutz zu verschärfen. Allerdings wurde Fernambuk nicht auf dem Anhang I gelistet, was den höchsten Schutzstatus bedeutet hätte. Stattdessen hat man sich darauf geeinigt, Exporte aus Brasilien - ob in Form von Rohholz oder als fertige Instrumente – in Zukunft stärker zu überwachen und umfassend zu kontrollieren. Anschließend darf legales Holz weiterhin in den internationalen Handel gebracht werden. Mit diesem Vorgehen will die CITES vor allem den Schwarzhandel mit dem seltenen Holz eindämmen.
"Wir waren extrem positiv von dem Ergebnis überrascht," erzählt Thomas Gerbeth, der Vorsitzende der IPCI Deutschland e.V. "In den ersten Tagen hat nichts auf eine Lösung dieser Art hingedeutet." Nach vielen Diskussionen habe es zunächst so ausgesehen, als würde Fernambuk tatsächlich auf dem Anhang I des Artenschutzabkommens gesetzt werden. "Dann kam Daniel Piotto, der Dekan der Universität von Süd-Bahia, ein Kooperationspartner, und der hat mit vielen der brasilianischen Delegation gesprochen – aus der Sicht eines Forstingenieurs, der auch in den letzten Jahren die Inventur mitgemacht hat." Möglicherweise hätten diese Gespräche die Wende gebracht. "Es kann aber auch sein, dass die brasilianische Regierung eingegriffen hat", sagt Gerbeth. Letztlich wurde dem europäischen Vorschlag zugestimmt, Frenambuk auf dem Anhang II zu belassen – mit einer revidierten Fußnote. Gerbeth ist zufrieden: "Das Endergebnis ist für uns das wichtige. Und mit dem können wir jetzt gut arbeiten."
Der Artenschutz des Fernambukbaumes liegt auch den Bogenmacherinnern und Bogenmachern selbst am Herzen. Sie haben sich Ende des Jahrtausends zur IPCI zusammengeschlossen, der "Internationalen Initiative zur Erhaltung des Fernambukbaumes". Die setzt sich seit über 20 Jahren für die Wiederaufforstung des Fernambukbaumes in Brasilien ein. Rund 340.000 Bäume wurden seitdem auf Initiative der IPCI angepflanzt. "Wir erhoffen uns, dass wir mit unserer Arbeit, die wir seit über 20 Jahren schon im Artenschutz in Brasilien geleistet haben, jetzt einen neuen Aufschub bekommen, zusammen mit betroffenen Musikern, Orchestern und Kollegen den Anpflanzungsprozess in Brasilien weiter zu treiben."
Streichbögen aus Fernambuk haben eine Lebensdauer von mehreren hundert Jahren. | Bildquelle: picture alliance / VisualEyze | Daniel Reiter Dazu wurde im Zuge der Artenschutzkonferenz die Arbeitsgruppe "paubrasilia echinata dialog" gegründet. Neben der IBAMA (Brasilianisches Institut für Umwelt und erneuerbare Energien) werden daran auch Wissenschaftler, Bogenmacher und Vertreter der IPCI mitwirken, damit die Lösung, die jetzt von der CITES beschlossen wurde, sich auch langfristig behaupten kann. "Dort sollen Wege gefunden werden, dass in Zukunft ausschließlich Material aus nachhaltiger Nutzung zur Verfügung gestellt wird für den internationalen Bogenbau", sagt Gerbeth.
Nach den CITES-Verhandlungen können nun erstmal beide Seiten erstmal zufrieden sein. Das Ergebnis, den Export dieser endemischen Art aus Brasilien umfassend zu kontrollieren ohne dabei für den Schutz der Art unnötige Kontrollen zu späteren Zeitpunkten einzuführen, ist ein großartiger Verhandlungserfolg für die Art und auch für Musikerinnen und Musiker weltweit. Ob sich das Konzept langfristig bewährt, wird bei der nächsten Artenschutzkonferenz in drei Jahren überprüft. Auch Kontrabassist Frank Reinecke betont die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit. Aber nicht nur die Natur müsse geschützt werden, sondern auch die gewachsene Kultur, findet er. Die Entdeckung des Fernambukholzes für den Bogenbau vor 250 Jahren habe großen Einfluss auf die Spieltechniken und damit auch auf die Komposition gehabt. "Das ist ja auch ein Kulturerbe, das wir weitertragen", sagt Reinecke. Wenn er mal nicht mehr im Orchester spiele, werde er seinen 100 Jahre alten Fernambukbogen jedenfalls weitergeben – aber nur in gute Hände.
Sendung: "Allegro" am 28. November 2022, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Donnerstag, 01.Dezember, 12:41 Uhr
Konstanze Lerbs
Artenschutz Fernambukholz
Dass wir Streicher weiterhin unbeschwert mit unseren Bögen reisen können ist natürlich zunächst eine Erleichterung. Dennoch hat uns das Beispiel Fernambukholz/Artenschutz bewusst gemacht, dass wir MusikerInnen nicht nur für das Reisen selbst, sondern auch für unsere "Arbeitsmaterialien" eine Verantwortung haben, was den Umgang mit begrenzten Ressourcen unserer Erde betrifft. Alle MusikerInnen, die in diesem Sinne mit einen Beitrag zur Wiederaufforstung von Edelhölzern für den Instrumentenbau (übrigens auch für Holblasinstrumente) kompensieren möchten, haben die Möglichkeit dies über das "Orchester des Wandels" zu tun. GO FOR IT...